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Charlotte Friederike Gerda Karoline Baur

Persönliche Daten

Name: Baur
seit 1897 verheiratete Schulz
Vorname:Charlotte Friederike Gerda Karoline
genannt Lotte
Religion bei Geburt: evangelisch / protestantisch
Geburtstag: 06.03.1863
Geburtsort: Mitteldick
Todestag: 17.10.1930
Sterbeort: Traunstein
Ausbildung
Beruf/Erwerb:

Zeichenlehrerin, Kunsthistorikerin

1879 - 1884 mit Unterbrechungen Besuch der K. Kunstgewerbeschule in München, Berufsziel: Zeichenlehrerin

Staatsangehörigkeit bei Geburt: Landgrafschaft Hessen-Darmstadt

© Original beim Deutschen Röntgen-Museum
Charlotte (Lotte) Baur um 1897
Porträt: Fotostudio Elvira
© Original beim Deutschen Röntgen-Museum
Charlotte (Lotte) Baur und ihr zukünftiger Ehemann Ernst Schulz
Fotografie: Fotostudio Elvira um 1897

Familie

Vater Franz Adolf Gregor (von) Baur seit 1878 Professor für Forstwissenschaft an der Universität München 1830 Lindenfels - 1897 München
1877 wurde ihm das Ritterkreuz I. Classe des Ordens der Württembergischen Krone verliehen, mit welchem der persönliche Adel verbunden war.
Mutter Ernestine Baur, geb. Seidel 1831 Lich - 1908 Oberursel i. T.
Schwester Johanna Baur, verh. Planck 1854 Weißwasser - 1937 Berlin
verheiratet mit Adalbert August Planck, dem Bruder des Nobelpreisträgers Max Planck
Bruder Georg Ludwig Karl Baur Zoologe, Paläontologe, Universitätsprofessor in Chicago 1859 Weißwasser - 1898 München
Bruder August Baur 1860 Gießen - 1915
Schwester Luise (genannt Liesel) Baur Lehrerin 1866 Hohenheim - 1919 München
Schwester Marie Baur 1869 Hohenheim
Laut Vermerk im Familienbogen des Vaters lebte sie 1937 in Lindau am Bodensee, im Bürgerheim Schmidtstraße.

Familienstand

verheiratet mit 1897 Ernst Ludwig Karl Schulz Besitzer einer Fabrik für Maschinenbau 1854 Groß-Umstadt - 1923 Traunstein

Kinder

Ihre Kinder sind uns nicht namentlich bekannt.

Mitgliedsjahre im Verein für Fraueninteressen
Diese Angaben stammen aus den alten „Mitglieder-Verzeichnissen“ (1896 bis 1916) des Vereins, bei den Personennamen wurde die jeweilige Original-Schreibweise – einschließlich der Tipp- und Lese- bzw. Hörfehler – übernommen. Fehlerhafte Adress-Angaben (z.B. Franz Josefstr. statt Franz Josephstr.) wurden korrigiert und der damals gültigen Schreibweise (im Adressbuch München) angepasst.

DetailsDetails 1896 bis 1897    
1896 Fräulein Charlotte Bauer (!) Heßstr. 32 / II  
1897 Frl. Charlotte Baur Heßstr. 32 / II  

Erwähnung in Jahresberichten und andere Zitate

„Unser Ball ist recht animiert verlaufen, wir waren 140 Personen und dauerte von 5 1/2 bis 2 Uhr Morgens. Mein guter Mann hat mich herrlich unterstützt und war ein sehr liebenswürdiger Wirt. Doch damit will ich Dich nicht öden, solche Dinge haben ja nicht Deinen Beifall, Du hast eben viel anderes zu denken. Ich aber liebe Lotte bin glücklich daß meine Gesundheit mir es wieder gestattet, meinen gesellschaftlichen Pflichten nach zu kommen."
(Bertha Röntgen an Charlotte Baur, 12.02.1894)
„Wie sehr hoffe ich liebe Lotte, daß Du nun wieder an Deiner Staffelei sitzest u. Dich nicht für Andere aufopferst, ich habe immer da Gefühl, als müßte Dich später so viel verlorene Zeit reuen. Verzeihe, wenn ich Dir damit weh thue, aber es ist keine Absicht dabei, ich möchte ja nur wünschen, daß Du mit Dir und Deiner Kunst so ganz zufrieden sein könntest."
(Bertha Röntgen an Charlotte Baur, 16.03.1894)
„Und Du gehst nach Brixen? Du schreibst aber nicht mit wem und was es für eine Arbeit ist, die Du dort zu Ende zu bringen hoffst. Es würde uns intereßieren darüber zu hören, vielleicht schreibst Du noch ein paar Zeilen vor Deiner Abreise."
(Bertha Röntgen an Charlotte Baur, 20.06.1894)
„Wir freuen uns aufrichtig, daß es Dir geglückt ist wieder eine Anzahl Zuhörerinnen für Deinen Kurs für Kunstgeschichte zur intereßieren, und daß Du selbst so befriedigigt über Deine jetztige Thätigkeit bist. (...) Du erzählst, daß Du darüber dachtest eine Schule mit Lisel zu gründen; wird das für Dich nicht zu viel werden? Doch darüber kann ich Dir heute nichts sagen, denn ich habe bis jetzt noch keine rechte Begriffe, welche Aufgabe Dir dabei gestellt wäre. Daß es für Lisel gut wäre, geb ich gern zu."
(Bertha Röntgen an Charlotte Baur, 21.11.1894)
„Ich sehe aus Deinen Briefen stets mit Vergnügen, daß auch Du bekehrt bist und Dich nicht von dem geselligen Leben zurückziehst. (...). Deine Versicherungen, daß Du Dich je länger je glücklicher schätzest in Deiner jetzigen Lebensstellung und Deinem Wirken erfreut uns Beide sehr, Wünschen wir Dir doch von ganzem Herzen innere Befriedigung und die volle Freude an Deiner Arbeit. Mit großem Intreße folgen wir Deinen Fortschritten und Deinen Erfolgen, möge Dir das Glück doch weiter so günstig bleiben."
(Bertha Röntgen an Charlotte Baur, 20.01.1895)
„Ich habe noch einmal Deinen Brief vom 7. IV. durchgelesen, wo mir fast aus jeder Zeile die Versicherung Deiner Zufriedenheit mit Deinem jetzigen Loos auffällt. Brauche ich Dir zu sagen, liebe Lotte, wie sehr mich das freut und hoffe ich von ganzem Herzen, daß Dir dieses Glück beständig ist. Dein neues Unternehmen eine Schule zu gründen finde ich sehr löblich, doch eine schwere Aufgabe, möge sie doch einst nicht zu schwer auf Dir lasten, neben all' den überigen Intreßen die Dich so reichlich beschäftigen."
(Bertha Röntgen an Charlotte Baur, 14.05.1895)
"daß Du so viel Zuhörerinnen hast, freut uns riesig; ob es nun aber unter diesen Umständen klug ist, Dich wieder mehr mit der Malerei zu befaßen, insbesondere während der kurzen Wintertage, möchten wir nicht ganz zugeben. Wir wissen ja wohl, daß Du über eine sehr große Ausdauer in der Arbeit verfügst, aber auch dem Zähesten liebe Lotte, kann es einmal zu viel werden. - Mein guter Mann arbeitet mir jetzt auch zu viel, doch läßt sich hier nichts dagegen machen, (...)."
(Bertha Röntgen an Charlotte Baur, 12.12.1895)

„D i e  B r i  x n e r  M a l e r s c h u l e  d e s  XV. J a h r h u n d e r t s. Professor H. Semper hat meiner unter obigem Titel erschienenen Studie eine weitläufige Besprechung zutheil werden lassen, die mich um so mehr überraschte, als ich mich stets dem weniger erfreulichen Gedanken, die Strafe für meine ausgesprochenen Ansichten könnten in einem Todtschweigen derselben bestehen, hingegeben hatte. Daß dies nicht geschehen, sondern daß ich einer solch langen Kritik gewürdigt wurde, dafür danke ich Prof. Semper bestens. Meine Erwiderung auf seine Besprechung ebenfalls in diesem Blatte erscheinen zu lassen, beabsichtige ich nicht, doch möchte ich meiner Verwunderung noch Ausdruck geben, mich von Prof. Semper, als auf meine fraglichen Triumphe stolz charakterisiert zu sehen, während ich doch gleich am Anfang meiner Arbeit versichere, daß ich weit davon entfernt sei, mich in dem eitlen Gedanken zu wiegen, mit meiner Studie den Nagel auf den Kopf zu treffen, sondern einzig die Hoffnung hege, sie möge dazu dienen, uns der Wahrheit näher zu bringen. Diese Hoffnung habe ich auch heute noch.

München, den 12. Dezember 1895

C h a r l o t t e  B a u r."
Leserbrief von Charlotte Baur, in: Bote für Tirol u. Vorarlberg, 81. Jg, Nr. 290 v. 17.12.1895, S. 2217


Eigene Publikationen

Baur, Charlotte: Die Brixner Malerschule des XV. Jahrhunderts, in: Der Kunstfreund, 11. Jg. (1895), Nr. 8, S. 49 ff., online: www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11471177
Baur, Charlotte: Die Brixner Malerschule des XV. Jahrhunderts (Schluss), in: Der Kunstfreund, 11. Jg. (1895), Nr. 9, S. 61 ff., online: www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11471177
Baur, Charlotte: Die Brixner Malerschule des XV. Jahrhunderts, in: Bote für Tirol u. Vorarlberg, 81. Jg, Nr. 290 v. 17.12.1895, S. 2217, online: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11482800?page=1110,1111 (siehe unter andere Zitate)


Quellen und Literatur

Stadtarchiv München: Familienbogen Franz von Baur
Schülerinnen-Verzeichnisse 1879/80 bis 1883/84, in: Jahres-Bericht über Beide Abteilungen der K. Kunstgewerbe-Schule in München, München 1880 ff.
Archiv Deutsches Röntgen Museum: Briefe von Röntgen, Bertha an Baur, Charlotte 1894 bis 1897, teilweise online:
nat.museum-digital.de/objects
Semper, Hans: Die Brixner Malerschule des XV. Jahrhunderts, Besprechung, In: Bote für Tirol u. Vorarlberg, 81, Jg., Nr. 265 vom 18.11.1895, S. 2022, online: www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11482800
Semper, Hans: Die Brixner Malerschule des XV. Jahrhunderts, Fortsetzung, in: Bote für Tirol u. Vorarlberg, 81, Jg. Nr. 267 vom 20. November 1895, S. 2036, online: www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11482800
Nachruf: Professor Georg Baur. Nature58, 350 (1898). Online: https://doi.org/10.1038/058350a0
Heß, Richard, "Baur, Franz von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 46 (1902), S. 262-266 [Online-Version]; URL: www.deutsche-biographie.de/pnd116093439.html
Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche: Dekanat Traunstein, Traunstein: Bestattungen 1915-1945, S. 50.
Assmann, Ernst, "Baur, Franz von" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 671-672 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116093439.html#ndbcontent, zuletzt eingesehen am 16.06.2023
Lebensdaten von Ernst Schulz: https://nat.museum-digital.de/people/150293, zuletzt eingesehen am 16.06.2023
Marcel Michels (Archivar am Deutschen Röntgen Museum in Remscheid) an Verein für Fraueninteressen, E-Mail-Nachrichten vom 08.11.2021; 2.12.; 11.12. und 14.12.2021.


Anmerkungen

Charlotte Baur stammte aus einer hessischen Beamten- bzw. Theologenfamilie. Ihr Vater, der Forstwissenschaftler Franz von Baur wurde 1878 als ordentlicher Professor an die Universität München berufen. Ein Jahr später begann die 16jährige Charlotte Baur eine Ausbildung als Zeichenlehrerin an der K. Kunstgewerbe-Schule München. Bereits in dieser Zeit schloss sie möglicherweise Bekanntschaft mit einigen späteren Vereinskolleginnen. Zum Jahrgang 1879 gehörten u.a. die Vereinsmitgründerinnen Elvira von Barth (ID 10) und Barbara Wolf (ID 75). Im SS 1883 legte sie die Lehramtsprüfung ab und erwarb damit die „volle Befähigung zur Erteilung des Zeichenunterrichts an Volksschulen, Höheren Töchterschulen, Lehrerinnenbildungsanstalten und den Elementarklassen von Fachschulen" (Jahresbericht Kunstgewerbeschule 1883/84, S. 49 f.). Ob sie diesen Beruf jemals ausübte, ist uns nicht bekannt. Vor 1888 hielt sie sich für mindestens zwei Jahre in den USA auf, in dieser Zeit war ihr Bruder, der Zoologe und Paläontologe Georg Baur, als wissenschaftlicher Assistent an der Yale Universität in New Haven/Connecticut tätig. Nach München zurückgekehrt widmete sie sich der Malerei und beschäftigte sich mit Kunstgeschichte. Sie hielt Vorträge und gab Kurse für ein weibliches Publikum. Sie interessierte sich besonders für die Brixner Malerschule des XV. Jahrhunderts. Dazu veröffentlichte sie 1895 einen zweiteiligen Aufsatz in der Fachzeitschrift „Der Kunstfreund“. Spätestens seit 1894 verfolgte sie den Plan, zusammen mit ihrer Schwester Luise eine Schule zu gründen. Anders als die oben genannten Vereinsmitglieder Elvira von Barth, die in Thüringen eine Gartenbauschule für Frauen aufbaute, und Barbara Wolf, Mitgründerin des Landschulheims für Mädchen in Breitbrunn a. Ammersee, konnte sie ihre Pläne nicht umsetzen.
1897 heiratete sie Ernst Schulz, mit dem sie im Oktober 1900 nach Frankfurt verzog. Dem Verein für Fraueninteressen hatte sie schon zuvor die Mitgliedschaft aufgekündigt. Die Gründe dafür kennen wir nicht. Später lebte sie mit Ehemann und Kindern in Traunstein, wo sie 1930 starb. Im Bestattungsbuch der Evangelischen Kirche in Traunstein heißt es über sie: „Eine hochbegabte und vielseitig interessierte Frau, aus dem Theologengeschlechte Baur stammend. (…). Seit Jahren an seelischen Erregungszuständen leidend, (…). Hat sich im Krankenhaus das Leben genommen, um ihren Kindern nicht zur Last zu fallen."

Charlotte Baur und Bertha Röntgen

Die Eltern von Charlotte Baur und das Ehepaar Wilhelm Conrad und Bertha Röntgen waren eng befreundet. Diese Freundschaft übertrug das kinderlose Ehepaar Röntgen auch auf die Kinder des Ehepaares Baur. Charlotte Baur wurde über lange Jahre wie eine Ziehtochter behandelt. Zwischen 1888 und 1903 bestand ein intensiver Briefwechsel zwischen Charlotte Baur und ihrer mütterlichen Freundin Bertha. Leider sind nur noch die Briefe Bertha Röntgens erhalten. Sie sind eine wichtige Quelle für das Leben Charlotte Baurs. So unterschiedlich beide Frauen in ihrer Lebensauffassung und -gestaltung auch waren, so konnte sich die viel konventionellere Bertha Röntgen doch ganz gut in die Lebenssituation ihrer jungen Freundin einfühlen. Sie sparte aber auch nicht mit Mahnungen und Ratschlägen hinsichtlich des Ehrgeizes und der beruflichen Pläne Charlottes. Diese lernen wir natürlich nur aus der Perspektive der älteren Briefpartnerin kennen, so dass wichtige Details fehlen, wie z. B. Hinweise, welche Art von Schule Charlotte gründen wollte. Marcel Michels vom Archiv Deutsches Röntgen-Museum verdanken wir wichtige Hinweise und vor allem Einblick in die Briefe Bertha Röntgens aus den Jahren 1894 bis 1897 - also aus der Gründungsphase des Vereins. Eindeutige Belege für eine Mitgliedschaft Charlottes vor Februar 1896 finden wir darin leider nicht. 1903 kam es zu einem endgültigen Zerwürfnis zwischen Bertha Röntgen und Charlotte Baur, die Ursachen und genauen Umstände dafür konnten nicht geklärt werden.


Letzte Änderung

geändert: 05.11.2023

Wir bitten um folgende Zitierweise:
Eintrag: „Charlotte Baur“/ID 106, Online-Datenbank „Pionierinnen* der Frauenbewegung in München. Die frühen Mitglieder der Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau/des Vereins für Fraueninteressen in München“. Verein für Fraueninteressen e.V. München, www.geschichtsatelier-elvira.de
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