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Dr. jur. Anita Theodora Johanna Sophie Augspurg

Persönliche Daten

Name: Augspurg
Vorname: Dr. jur. Anita Theodora Johanna Sophie
Den Doktortitel erwarb Anita Augspurg im Jahr 1897 in Zürich.
Religion bei Geburt: evangelisch / protestantisch
1905 trat Anita Augspurg aus der evangelischen Kirche aus und blieb dann ohne Bekenntnis.
Geburtstag: 22.09.1857
Geburtsort: Verden an der Aller
Todestag: 20.12.1943
Sterbeort: Zürich
Ausbildung
Beruf/Erwerb:

Lehrerin, Schauspielerin, Fotografin, Juristin, ökologische Landwirtin und Publizistin

1879 Preußische Staatsprüfung für das Lehramt an einer Mädchenschule
1879-1881 Schauspielunterricht bei Johanna Frieb-Blumenauer
1881-1882 Engagement am Meininger Hoftheater
1882-1883 Engagement in Riga
1883-1884 Engagement in Amsterdam
1884-1885 Engagement am Altenburger Hoftheater
1885 Tourneetheater
1886-1887 Ausbildung zur Fotografin
1887-1899 Mitgründerin und Miteigentümerin des Photoateliers Elvira in München
Ab 1889 Publizistische Tätigkeit, Herausgeberin mehrerer Zeitungen
1893-1897 Jurastudium in Zürich, Abschluss Dr. jur.
1907-1912 Landwirtin auf dem Siglhof bei Hohenpeißenberg

Staatsangehörigkeit bei Geburt: Königreich Hannover
1934 wurde ein sich über mehrere Jahre hinziehendes Ausbürgerungsverfahren gegen Anita Augspurg in die Wege geleitet, aber von den NS-Behörden nicht zu Ende geführt. So galt sie den Schweizer Behörden bis zuletzt als deutsche Staatsbürgerin.

Anita Augspurg
© https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0065
3-teiliger-Photographie-Rahmen
vom Studio Martha von Kranz und Laura Lange. Die Fotos zeigen Anita Augsburg. Abb. entnommen aus: Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62. 1911-1912.

Familie

Vater Wilhelm Moritz Augspurg Anwalt und Notar am Obergericht Verden 1808 - 1880
Mutter Auguste Ernestine Augspurg, geb. Langenbeck 1815 - 1884
Schwester Ernestine Louise Auguste Augspurg Leiterin einer Mädchenschule in Kassel 1842 - unbekannt
Schwester Amalie Marie Wilhelmine Friederike Augspurg Inhaberin einer Malschule und eines Photoateliers in Dresden 1844 - unbekannt
Bruder Wilhelm Edouard Augspurg 1847 - unbekannt
wanderte nach Argentinien aus.
Bruder Dietrich Wilhelm Julius Augspurg 1850 - unbekannt
wanderte in die USA aus.

Familienstand

ledig
Von 1886 bis 1899 lebte sie mit Sophia Goudstikker zusammen. Seit 1901 Zusammenarbeit mit Lida Gustava Heymann, ab 1908 Lebensgemeinschaft mit ihr.

Mitgliedsjahre im Verein für Fraueninteressen
Diese Angaben stammen aus den alten „Mitglieder-Verzeichnissen“ (1896 bis 1916) des Vereins, bei den Personennamen wurde die jeweilige Original-Schreibweise – einschließlich der Tipp- und Lese- bzw. Hörfehler – übernommen. Fehlerhafte Adress-Angaben (z.B. Franz Josefstr. statt Franz Josephstr.) wurden korrigiert und der damals gültigen Schreibweise (im Adressbuch München) angepasst.

DetailsDetails 1894 bis 1899    
1894 bis 1895 Anita Augspurg Gründungsmitglied nach den Angaben im Brief von Anita Augspurg an Hedwig Kettler vom 26.04.1894.
1896 Fräulein Augspurg "z.Z. Zürich" , ihre Münchener Adresse wird im Mitgliederverzeichnis von 1896 nicht genannt.
1897 Frl. Anita Augspurg "Zürich", ihre Münchener Adresse wird im Mitgliederverzeichnis von 1897 nicht genannt.
1898 Frl. Dr. jur A. Augspurg "Berlin, Eisenacherstr. 80", ihre Münchener Adresse wird im Mitgliederverzeichnis von 1898 nicht genannt.
1899 Frl. Dr. jur. A. Augspurg Kaulbachstr. 51a / III  

Vereinsämter

1894bis 1894 1. Vorsitzende der „Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau“
1894bis 1896 Präsidentin der „Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau“

Ämter und Mitgliedschaften in anderen Vereinen

1890 bis 1895 Mitglied im Deutschen Frauenverein Reform bzw. Verein Frauenbildungs-Reform
1890 Gründungsmitglied in der Gesellschaft für modernes Leben
1891 - 1894 Gründung des Münchner Zweigs und Mitglied im Gesamtvorstand des Verein Frauenbildungs-Reform
1896 - 1898 Gründungspräsidentin des Vereins Frauenstudium
1898 Zweite Vorsitzende Verein Frauenbildung-Frauenstudium (Austritt 1899)
1898 Zweite Vorsitzende des Berliner Vereins Frauenwohl
1899 - 1907 Zweite Vorsitzende des Verbandes Fortschrittlicher Frauenvereine
1902 Gründung des Deutschen Vereins für Frauenstimmrecht, ab 1904 Deutscher Verband für Frauenstimmrecht (1902 bis 1911 Erste Vorsitzende)
1904 - 1909 Zweite Vorsitzende des Weltbundes für Frauenstimmrecht (International Woman Suffrage Alliance, ISWA)
1908 Gründung des Bayerischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, (1908-1919 Erste Vorsitzende) im gleichen Jahr Gründung der Ortsgruppen in Würzburg und München
1919 Mitgründerin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF)
1919 Gründung der Münchner Ortsgruppe der IFFF


Erwähnung in Jahresberichten und andere Zitate

Brief-Chronik: Gründung der "Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau"

Erwähnungen Anita Augspurgs in den Jahresberichten

Weitere Zitate über Anita Augspurg:
„Wer wie ich fünfzehn kampfesvolle Jahre mit ihr durchlebt hat, und zwar Kampfesjahres in der Frühlingszeit der Frauenbewegung, der weiß, was Dr. Augspurg für die Frauensache geleistet und was sie erreicht hat, der weiß aber auch, daß eine solche Natur nur da zu wirken vermag, wo die großen Fragen mit aller Kraft vertreten werden müssen. Für kleine Ziele springt eine solche Natur nicht ins Feuer.“
Minna Cauer über Anita Augspurg, in: Vossische Zeitung v. 22. September 1917, zit. nach Christiane Henke: Anita Augspurg, S. 147

„Anita Augspurg ist nicht nur ein starker, ein reich und vielseitig angelegter Mensch, sondern auch gütig, menschlich, mit kosmischer Liebe zu allem was lebt, auch zu Tier und Pflanze (...), dabei mit Humor und unerschöpflicher Vitalität begabt.  (...) Wie irgend jemand mit neuen Ideen und neuen Möglichkeiten wurde Anita Augspurg von allen Seiten, von links und rechts, nicht nur sachlich bekämpft, sondern auch persönlich angefeindet, mehr noch: verlästert, verleumdet, mit Schmutz beworfen. (...) Unberührbar, unbeirrt von allem, unangefochten in ihrem Wesen und Wollen, in völliger Souveränität ging sie ihren Weg und wird ihn weiter gehen.“
Elise Dosenheimer über Anita Augspurg zum 70. Geburtstag, in : Vossische Zeitung vom 22. September 1927, zit. nach Christiane Henke: Anita Augspurg, S. 147
(Die Germanistin Dr. Elise Dosenheimer war seit 1914 Mitglied im Verein für Fraueninteressen und nach dem 1. Weltkrieg als Beiratsmitglied auch im Vorstand des Vereins.)


Eigene Publikationen

Vollständiges Werkverzeichnis bei Kinnebrock, Susanne: Anita Augspurg, S. 642 - 659
Henke, Christiane (Hg.): Anita Augspurg. Rechtspolitische Schriften. Kommentierte Studienausgabe, Köln 2013


Quellen und Literatur

Stadtarchiv Hannover: Nachlass Kettler Nr. 63: Vereinsakten Frauenverein Reform
Stadtarchiv Hannover: Nachlass Kettler Nr. 346-348: Briefe Anita Augspurgs an Hedwig Kettler 1893-1895
Tätigkeitsberichte des Vereins für Fraueninteressen 1896 bis 1899
Lida Gustava Heymann in Zusammenarbeit mit Anita Augspurg: Erlebtes, Erschautes. Deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden. Hrsg. von Twellmann, Margrit, Maisenheim am Glan 1972 (2. Auflage Frankfurt am Main 1992)
Herz, Rudolf; Bruns, Brigitte (Hg.): Hof-Atelier Elvira 1887 – 1928. Ästheten, Emanzen, Aristokraten, München 1985
Schmittner, Monika: Aschaffenburg – ein Schauplatz der Bayerischen Frauenbewegung. Frauenemanzipation in der „Provinz“ vor dem Ersten Weltkrieg, Aschaffenburg 1995, S. 137 - 194
Specht, Agneta von: Geschichte der Frauen in Bayern. Von der Völkerwanderung bis heute. Katalog zur Landesausstellung 1998 des Hauses der Bayerischen Geschichte, Regensburg 1998, S. 299 ff.
Henke, Christiane: Anita Augspurg, Reinbek 2000
Kinnebrock, Susanne: Anita Augspurg (1857–1943). Feministin und Pazifistin zwischen Journalismus und Politik. Eine kommunikationshistorische Biographie, Herbolzheim 2005
Kinnebrock, Susanne (2019): Anita Augspurg, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/anita-augspurg Zuletzt eingesehen am 01.11.2020


Anmerkungen

Anita Augspurg und der Verein für Fraueninteressen

Ohne Anita Augspurg gäbe es den Verein für Fraueninteressen in München nicht. Ohne Anita Augspurg und ihre vielseitige Begabung, Energie und Durchsetzungskraft wäre der Verein heute, mehr als 125 Jahre später, ein anderer. Und das, obwohl Anita Augspurg bereits 20 Monate nach der von ihr vorangetriebenden Gründung aus dem Vorstand ausschied und weitere drei Jahre später den Verein ganz verließ. Ihre Rolle als Vereinsgründerin wurde bereits kurz nach ihrem Ausscheiden bewusst verschleiert und schließlich ganz vergessen. In der NS-Zeit verlegten der Verein und Gertrud Bäumer das Gründungsdatum gleich um zwei Jahre auf das Jahr 1896 und noch den 80. Geburtstag des Vereins feierte man im Jahr 1976. Erst die neue Frauenbewegung und die bedeutende Ausstellung „Hof-Atelier Elvira. 1887 - 1928. Ästheten, Emanzen, Aristokraten“ des Stadtmuseums München 1985/86 sorgten dafür, dass Anita Augspurg zusammen mit Sophia Goudstikker wieder entdeckt und das Interesse des Vereins für Fraueninteressen an der eigenen Entstehungsgeschichte neu geweckt wurde. Das 100. Jubiläumsjahr wurde dann wieder im richtigen Jahr 1994 gefeiert. 1998 bei der Landesausstellung „Frauen in Bayern“ führte Anita Augspurg die Liste der Vorsitzenden des Vereins für Fraueninteressen als Gründungspräsidentin an.

Anita Augspurg im Exil

Im Januar 1933 waren Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann auf Reisen im Mittelmeerraum und hatten sehr gute Gründe, nicht mehr nach Hitler-Deutschland zurückzukehren. Seit Anita Augspurg bereits 1923 gemeinsam mit anderen Frauen von den bayerischen Behörden die Ausweisung Hitlers nach Österreich gefordert hatte, stand sie ganz oben auf verschiedenen „Schwarzen Listen“ der Nationalsozialisten. Ihre Wohnung in München wurde im April 1933 durchsucht, Papiere und das Mobiliar beschlagnahmt. Im September 1933 wurde schließlich ihr gesamtes Vermögen eingezogen. 1934 wurde ein Ausbürgerungsverfahren gegen Augspurg und Heymann in die Wege geleitet, aber wohl nicht zu Ende geführt. Ohne festen Wohnsitz pendelten sie mehrere Jahre zwischen Zürich, Genf, Prag, London und Paris, bevor sie sich in Zürich niederließen, wo Anita Augspurg im Alter von 86 Jahren verstarb. Während ihres Exils konzentrierten sich Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann auf die Aufklärungsarbeit über Nazi-Deutschland und setzten sich für die politisch und rassistisch Verfolgten in den deutschen Konzentrationslagern ein. 


Letzte Änderung

geändert: 08.10.2023

Wir bitten um folgende Zitierweise:
Eintrag: „Anita Augspurg“/ID 6, Online-Datenbank „Pionierinnen* der Frauenbewegung in München. Die frühen Mitglieder der Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau/des Vereins für Fraueninteressen in München“. Verein für Fraueninteressen e.V. München, www.geschichtsatelier-elvira.de
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