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Sophia N.J. Goudstikker

Persönliche Daten

Name: Goudstikker
Vorname:Sophia N.J.
Religion bei Geburt: jüdisch
1898 trat sie zum protestantischen Glauben über.
Geburtstag: 15.01.1865
Geburtsort: Rotterdam
Todestag: 21.03.1924
Sterbeort: München
Ausbildung
Beruf/Erwerb:

Besuch der privaten Malschule von Amalie Augspurg in Dresden.
Private Ausbildung zur Fotografin in München.
Fotografin und Inhaberin des "Ateliers Elvira" von 1887 - 1908. Ab 1898 mit dem Titel Kgl. Bayer. Hofphotographin.
1908 wurde Sophia Goudstikker als erste Frau am Jugend- und Schöffengericht als Verteidigerin (im Ehrenamt) zugelassen.  

Das bedeutete keineswegs die Ernennung zur "ersten weiblichen Rechtsanwältin", wie es in der Münchener Chronik von 1908, hieß. Die erste zugelassene Rechtsanwältin Deutschlands war die Nachfolgerin S. Goudstikkers als Leiterin der Rechtsschutzstelle München Dr.jur. Maria Otto (vgl. Häntzschel/Bußmann S.207 und Hähnchen S. 280).

Staatsangehörigkeit bei Geburt: Niederlande
1898 erwarb sie die Bayerische Staatsbürgerschaft und das Münchner Bürgerrecht.

© LAB B Rep. 235-FS Nr. 187
Sophia Goudstikker
© Atelier Elvira / Landesarchiv Berlin, B Rep. 235-FS Nr. 186
Ika Freudenberg und Sophia Goudstikker
© Stadtarchiv München
Sophia Goudstikker

Familie

Vater Salomon Elias Goudstikker Kunst- und Antiquitätenhändler 1825 Amsterdam - 1892 Amsterdam
Mutter Grietje Goudstikker, geb.Klisser 1830 Rotterdam - 1900 München
Schwester Betje Goudstikker, verh. Hirschfeld 1850 - 1928 Hamburg
verheiratet mit Wolf Hirschfeld
Bruder Willem Goudstikker 1852 - 1853
Bruder Elias Salomon Goudstikker 1854
Schwester Tellie Goudstikker, verheiratete Bütow 1856
Bruder William oder Willem Goudstikker Kaufmann 1857 - 1914
Verheiratet mit Rosa Trew
Schwester Henriette (Harriet) Goudstikker, verh. Hirsch 1860 - 1931
verheiratet mit Bernhard Hirsch
Schwester Mietje (Mimi) Goudstikker, verh. von Halle 1862 - 1931
Verheiratet mit Benjamin von Halle. Beider Tochter war die Lyrikerin und Journalistin Silvia von Harden. http://www.otto-dix.de/werk/e_neue_sachlichkeit/a_gemaelde/NGo1gr_jpg/images_view
Schwester Anna Goudstikker 1863
Schwester Mathilde Nora Goudstikker, verh. Goeschel führte bis 1896 das Photo-Atelier in Augsburg 1874 - 1934
Sie war ebenfalls Vereinsmitglied. Seit 1903 verheiratet mit Sigismund Goeschel.
Anmerkung zur Familie: Zwei weitere nach Sophia und vor Mathilde Goudstikker geborene Brüder starben bereits im frühen Kindesalter. Grietje (Margarethe) Goudstikker hatte also 12 Kinder geboren.

Familienstand

ledig
Bis ca. 1898 waren sie und Anita Augspurg Lebenspartnerinnen; nach 1899 lebte sie mit Ika Freudenberg zusammen. Ihre vermutlich letzte Lebensgefährtin, Hannah von Westernhagen, geb. Böhlau, wurde nach 1914 ebenfalls Mitglied des Vereins für Fraueninteressen.

Mitgliedsjahre im Verein für Fraueninteressen
Diese Angaben stammen aus den alten „Mitglieder-Verzeichnissen“ (1896 bis 1916) des Vereins, bei den Personennamen wurde die jeweilige Original-Schreibweise – einschließlich der Tipp- und Lese- bzw. Hörfehler – übernommen. Fehlerhafte Adress-Angaben (z.B. Franz Josefstr. statt Franz Josephstr.) wurden korrigiert und der damals gültigen Schreibweise (im Adressbuch München) angepasst.

DetailsDetails 1894 bis 1924   Sophia Goudstikker gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau.
1894 bis 1895 Sophia N. Goudstikker Kaulbachstr. 51a / III  
1897 bis 1899 Frl. Sophia Goudstikker Kaulbachstr. 51a / III links  
1900 bis 1904 Frl. Sophia Goudstikker Königinstr. 3a  
1905 bis 1915 Frl. Sophia Goudstikker Königinstr. 3a / Villa  

Vereinsämter

1896bis 1898 Mitglied der Lehrlingskommission
1896 Mitglied der Kommisson zur Anstellung weiblicher Turnlehrer an den höheren Mädchenschulen.
1897bis 1898 Mitbegründerin der Rechtsschutzstelle des Vereins für geistige Interessen der Frau Bei der Mitgliederversammlung 1897 schloß sich Sophia Goudstikker einer vierköpfigen Kommission zur Gründung einer Rechtsbelehrungs- und Rechtsschutzstelle für Frauen in München an. Auf Antrag von Ika Freudenberg wird die Kommission auf 12 Personen vergrößert und erhält einen selbständigen Status.
1898bis 1899 Mitglied der Rechtsschutzgruppe Am 1. Mai 1898 wird die Rechtsschutzstelle zunächst in einem vom Stadtrat bewilligten Zimmer in der Domschule eröffnet und wechselt noch im gleichen Jahr in die Frauenarbeitsschule, Von-Der-Tann-Str. 1. Die Leitung übernahm zunächst die aus Halle gebürtige Johanna Baum.
1899 Mitglied der Kommission zur Gründung von Ortsgruppen
1900bis 1902 Leiterin der Rechtschutzgruppe
1903 2. Vorsitzende der Rechtsschutzgruppe
1904bis 1906 Einfaches Mitglied der Rechtsschutzstelle
1907bis 1923 1. Vorsitzende der Rechtsschutzstelle
1909 Mitarbeiterin für Auskunfterteilung und Propaganda auf dem Gebiete des Rechtsschutzes
1914bis 1923 Als Beirätin Mitglied im Vorstand des Vereins für Fraueninteressen

Ämter und Mitgliedschaften in anderen Vereinen

1889 bis 1895 Mitglied im Deutschen Frauenverein Reform, ab 1891 Verein Frauenbildungsreform
1890 Gründungsmitglied in der Gesellschaft für modernes Leben
Mitglied in der Münchener Photographische Gesellschaft
Gründungsmitglied des Vereins für Frauenstudium
Mitglied im Akademisch-Dramatischen Verein


Erwähnung in Jahresberichten und andere Zitate

Erwähnungen Sophia Goudstikker in Jahresberichten

Weitere Zitate:
"Draußen Anita Augspurg und die Schwestern Goutstikker  getroffen, mit ihnen gebadet. Über dem Gebirge weinroter Sonnenuntergang und die nackten Gestalten."
(Tagebucheintrag von Franziska Gräfin zu Reventlow vom 22. September 1901)

„Am 21.März schied mit Sophia Goudstikker, der Freundin und Lebensgefährtin Ika Freudenbergs, eine der bedeutendsten Frauen unserer Zeit aus dem Leben."
(München-Augsburger Abendzeitung, Beilage Süddeutsche Frauenzeitung, Nachruf vom 6. April 1924)


Eigene Publikationen

Goudstikker, Sophia: Ika Freudenberg und die Frauenbewegung in München, in: "Die Frau", 9. Jg., Heft 5 v. 5.2.1902


Quellen und Literatur

Stadtarchiv München: PMB Sophia Goudstikker
Stadtarchiv München: Einbürgerungsakten Nr. 1898/2270
Stadtarchiv München: DE-FS -Alb-139 -1-13: Fotoalbum: "Marie Haushofer's Festspiel zum I. allgemeinen Bayerischen Frauentag in München 18.-21- Oktober 1899"
Adressbücher der Stadt München 1888ff
Portraits berühmter Photographen der Gegenwart, in: Photographische Chronik 1894, Nr. 49, S. 874
Jahresberichte der Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau bzw. des Verein für Fraueninteressen 1896 bis 1924
Dr. F. (Dr. Anna Freund): Fünfundzwanzig Jahre Münchener Rechtsschutzstelle für Frauen, in: München-Augsburger Abendzeitung, Beilage Süddeutsche Frauenzeitung vom 15. April 1923
Bäumer, Gertrud: 25 Jahre Rechtsschutzarbeit, in: Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit, 30.Jg., Heft 7 vom April 1923
Nachruf Sophia Goudstikker, in: München-Augsburger Abendzeitung, Beilage Süddeutsche Frauenzeitung vom 6. April 1924
Bäumer, Gertrud: Lebensweg durch eine Zeitenwende, Tübingen 1933
Lida Gustava Heymann in Zusammenarbeit mit Anita Augspurg: Erlebtes, Erschautes. Deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden. Hrsg. von Margrit Twellmann. Maisenheim am Glan 1972 (2. Auflage Frankfurt am Main 1992)
Herz, Rudolf: Das Fotoatelier Elvira (1887-1928). Seine Fotografinnen, seine Kundschaft, seine Bilder, in: Hofatelier Elvira 1887-1928 Ästheten, Emanzen, Aristokraten, hrsg. v. Herz, Rudolf und Bruns, Brigitte, München 1985, S. 63 ff.
Bruns, Brigitte: Das dritte Geschlecht von Ernst von Wolzogen, in: Hofatelier Elvira 1887-1928 Ästheten, Emanzen, Aristokraten, hrsg. v. Herz, Rudolf und Bruns, Brigitte, München 1985, S. 171 ff.
Bruns, Brigitte: Weibliche Avantgarde um 1900, in: Hofatelier Elvira 1887-1928 Ästheten, Emanzen, Aristokraten, hrsg. von Herz, Rudolf und Bruns, Brigitte, München 1985, S. 191 ff.
Lindemann, Renate: 100 Jahre Verein für Fraueninteressen, München 1994, S. 37 ff.
Lindemann, Renate: Materialsammlung Sophia Goudstikker, München 1990ff  (Archiv Verein für Fraueninteressen Signatur: AO004)
Häntzschel, Hiltrud u. Bußmann, Hadomut (Hrsg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. München 1997, S. 207
Specht, Agneta von (Hrsg.): Geschichte der Frauen in Bayern. Von der Völkerwanderung bis heute. Regensburg 1998, S. 306 ff. und 310 f.
Kinnebrock, Susanne: Anita Augspurg (1857-1943). Feministin und Pazifistin zwischen Journalismus und Politik. Eine kommunikationshistorische Biographie. Herbolzheim 2005, besonders S. 187 und S. 471
Hähnchen, Susanne: Der Weg von Frauen in die juristischen Berufe - Rechtshistorisches zu einer gar nicht so lange zurückliegenden Entwicklung, in: Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung (2009) Nr. 14, 273-296, besonders S. 280
Karrasch, Daniel u. Sauter, Christoph: Mathilde Goudstikker - Etappen einer Spurensuche, in: Die modernen Frauen des Atelier Elvira in München und Augburg 1887-1908, hrsg. v. Richardsen, Ingvild, München 2022, S. 58 ff.
Joel J. Cahen: Die niederländisch-jüdischen Wurzeln von Sophia Goudstikker, in: Die modernen Frauen des Atelier Elvira in München und Augburg 1887-1908, hrsg. v. Richardsen, Ingvild, München 2022, S. 204 ff.


Anmerkungen

Sophia Goudstikker verbrachte ihre Kindheit und frühe Jugend in Hamburg und lebte ab 1879 in Dresden. Dort besuchte sie die Malschule von Amalie Augspurg, über die sie deren Schwester Anita kennenlernte. Zusammen mit Anita Augspurg zog sie 1886 nach München, um sich zur Fotografin ausbilden zu lassen. Sie spezialisierten sich auf Porträtfotografie, insbesondere von Kindern. Im Juli 1887 eröffneten die beiden in der Von-der-Tann-Straße 15, schräg gegenüber dem Prinz Carl Palais, ihr Photostudio, das Atelier Elvira, später Hofatelier Elvira.
1898 ließ sie sich evangelisch taufen und beantragte mit Erfolg die Bayerische Staatsbürgerschaft sowie das Münchner Bürgerrecht. Im gleichen Jahr wurde der spektakuläre Jugendstilbau realisiert, der von August Endell im Auftrag von Augspurg/Goudstikker entworfen worden war und beiden gemeinsam gehörte.
Neben ihrem Beruf als Fotografin und ihrem Engagement für Verein und Rechtsschutzstelle pflegte sie ein intensives kulturelles Leben. Sie übernahm in den 90er Jahren zahlreiche weibliche Hauptrollen in den Aufführungen des Akademisch-Dramatischen Vereins, der 1891 von Studenten, Literaten und kulturell interessierten Münchner Bürgern gegründet worden war.
1899 kam es zur endgültigen beruflichen und privaten Trennung und Anita Augspurg wurde stille Teilhaberin des Atelier Elvira bis sie im Jahr 1907 ihren Anteil an Sophia G. verkaufte. Auch das gemeinsame frauenpolitische Engagement endete, nachdem Anita Augpurg 1899 den Verein für Fraueninteressen verlassen hatte.
1908 verpachtete Sophia Goudstikker das Atelier Elvira an Emma Uibeleisen. So war es ihr möglich, sich ganz auf die Tätigkeit als Leiterin der Rechtsschutzstelle zu konzentrieren, die sie bis 1923 ausübte.
Spannend und einer gründlichen Untersuchung wert ist das weitere Verhältnis zwischen S. Goudstikker und A. Augspurg nach 1899. Es scheint immer wieder Kontakte gegeben zu haben. Davon zeugt nicht nur der Tagebucheintrag der Reventlow vom 22. September 1901, sondern auch die Tatsache, dass Sophia Goudstikker Anita Augspurg testamentarisch als Testamentvollstreckerin eingesetzt hatte. 
(Kinnebrock, S. 471, Anm. 105)


Letzte Änderung

geändert: 22.11.2023

Wir bitten um folgende Zitierweise:
Eintrag: „Sophia Goudstikker“/ID 69, Online-Datenbank „Pionierinnen* der Frauenbewegung in München. Die frühen Mitglieder der Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau/des Vereins für Fraueninteressen in München“. Verein für Fraueninteressen e.V. München, www.geschichtsatelier-elvira.de
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